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Bestattungsbräuche im Wandel

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Bestattungsbräuche im Wandel

In seiner Analyse aus dem Jahr 2019 hält das Bundesamt für Statistik fest, dass sich die Bestattungsbräuche in der Schweiz in den letzten vier Jahrzehnten stark verändert haben. Dies liegt vor allem an den Religionszugehörigkeiten: Die Verbreitung des Katholizismus sank von 42 Prozent auf 36 Prozent der ständigen Wohnbevölkerung. Gleichzeitig halbierte sich der Anteil protestantischer Einwohner (von der Hälfte der Wohnbevölkerung auf ein Viertel). Während es im Jahr 1970 noch kaum Schweizer ohne Religionszugehörigkeit gab, stieg diese Zahl 2000 auf 12 Prozent und heute auf ein Viertel der Einwohner. Die Verbreitung des Islams hingegen nimmt stark zu, ist mit 5,2 Prozent aber nach wie vor in der Minderheit. Diese Entwicklungen spiegeln sich auch auf unseren Friedhöfen wider: Auf immer mehr Friedhöfen gibt es mittlerweile spezielle Grabfelder für Muslime, wie zum Beispiel im Bremfgarten in Bern (Quelle: Swissinfo).

Wussten Sie, dass man mit einer Bestattungsvorsorge seine Bestattung planen und sicherstellen kann, dass seine Wünsche erfüllt werden, wenn der Zeitpunkt gekommen ist?

Inhaltsübersicht

Der Synkretismus und sich verändernde Praktiken

Einäscherung und Verbleib des Leichnams

Bestattungsrituale

Ein neuer Umgang mit dem Tod

Katholische Bestattungsriten 

Protestantische Bestattungsriten

Muslimische Bestattungsriten

Säkulare Bestattungsriten

Was passiert mit Verstorbenen, die keiner Konfession angehören?

Der Synkretismus und sich verändernde Praktiken

Im Gegensatz zu den noch immer sehr traditionellen Praktiken des muslimischen Bestattungsritus entwickeln sich hierzulande neue und informelle Herangehensweisen an den Tod. So geht die zunehmende Bedeutung säkularer Bestattungsrituale Hand in Hand mit der zunehmenden Abkehr von der Kirche. „Viele Menschen sehnen sich danach, aus den kirchlichen Denkmustern auszubrechen, doch ein Bedürfnis nach Spiritualität bleibt“, hält die säkulare Trauerfeier-Spezialistin Sandra Widmer Joly gegenüber Everlife.ch fest. Eine neuartige Form der Spiritualität beschreibt die Thanatologin Alix Noble Burnand: „Heute ist der sogenannte Synkretismus gefüllt von einer Faszination für alternative Glaubensweisen. Es findet eine Abwendung der engstirnigen Praktiken statt, was dazu führt, dass die herkömmlichen Bräuche immer mehr aus der Mode kommen.“

 

Die Entwicklung unterschiedlicher Riten wurde in den 2010er-Jahren analysiert und war Gegenstand diverser akademischer Publikationen. Viele dieser Publikationen wurden zu E-Talks transkribiert, welche öffentlich im Netz zugänglich sind. Ein grosser Teil der Arbeiten stammt von Bertrand Crettaz. Der Soziologe stellte fest, dass viele traditionelle Totenrituale ab den 1960er-Jahren aufgrund der Urbanisierung und des Wissensverlusts untergingen. „Ab den 1950er- und 1960er-Jahren begann man in der (West-)Schweiz damit, den Leichnam aus dem Familienhaus in das Bestattungszentrum zu bringen. Das Wissen rund um den Umgang mit dem Tod wurde so von den Familien an die Bestattungsunternehmen abgegeben.“ Crettaz stellt zwar eine Art Renaissance mancher Riten fest, allerdings in einer neuen, weniger kirchlich geprägten Form. „Die Rückkehr von Gebräuchen ist ein komplexes Phänomen, das sich durch eine ratlose Gesellschaft erklären lässt, in der die grossen Religionen zusammenbrechen und in der die traditionellen Systeme überwunden wurden. Der Bedarf nach alten Riten spiegelt die Nachfrage nach Sinn wider.“ Bertrand Crettaz spricht heute von einem „gigantischen rituellen Mix“. Alle möglichen Medien, Vorstellungen und Bedürfnisse werden in Riten zusammengebastelt, wodurch alles etwas zu viel werden kann. 

 

Cartaz stellt fest, dass die steigende Popularität des Säkularismus zur Entstehung neuartiger Bestattungsriten geführt hat. Aufgrund der hohen Nachfrage habe sich sowohl die katholische als auch die protestantische Kirche an diesem Wandel beteiligt. Man habe es immer häufiger mit Kirchenmitgliedern zu tun, die sich vom Pfarrer dennoch aktiv, individuelle Ansätze wünschen. Claire Clivaz, Unternehmens-Dozentin mit Fachgebiet Neues Testament und ehemalige Pfarrerin mit sechs Jahren Erfahrung, bestätigt diese Feststellungen. Insbesondere gelte das für den Protestantismus, welcher religiösen Symbolen gegenüber historischer Weise sehr zurückhaltend ist. 

 

Katholische Bestattungsriten umfassen traditionell Kerzen und Weihrauch, sehen die Präsentation des Leichnams vor und setzen auf eine Bestattung im Sarg. Die protestantische Beerdigung hingegen zeichnet sich durch eine nüchterne Durchführung aus. Sie ist frei von Symbolen und steht der Einäscherung tendenziell offen gegenüber. In jedem Fall aber muss die Beerdigung von Gesetzeswegen zwischen 48 und 96 Stunden nach dem Tod stattfinden. In vielen Kantonen ist allerdings eine Aufbahrung in Kühlräumen möglich, um diesen Zeitraum zu verlängern. 

Einäscherung und Verbleib des Leichnams

Die weitgehende Verbreitung der Kremationen in der Schweiz – 93 Prozent – zeigt, wie die Gemeinschaft hierzulande vom Formalismus abweicht. Dieser Trend steht besonders im Gegensatz zu den Bräuchen und Bestimmungen der katholischen Kirche. Claire Clivaz erklärt diese Besonderheit in der Schweiz historisch: Bereits in den 1870er-Jahren entstand eine starke Hygienebewegung. Diese zielte auf die Sanierung der Friedhöfe ab und förderte die Gründung der Waadtländer Krematoriumsgesellschaft, die heute über 8’000 Mitglieder zählt.

 

Insgesamt dauert die Einäscherung etwa 90 Minuten. Danach können die Aschenreste im Gedenkgarten oder in einem Kolumbarium ruhen. Auch das Begraben der Urne ist möglich, wobei es Urnen gibt, die biologisch abbaubar sind. Der Innovation sind keine Grenzen gesetzt. Ein Beispiel hierfür ist die Bündner Firma Algordanza, welche die Asche von Verstorbenen zu Diamanten presst. Hierfür wird die Asche in Grafit umgewandelt, auf 1300 Grad erhitzt und unter hohem Druck zu Diamanten geformt. Mittlerweile erfreut sich das Unternehmen einer grossen Beliebtheit, auch über die Landesgrenzen hinaus. 

 

Ein neues Phänomen ist die Körperkryogenisierung. Während sie in der Schweiz noch wenig verbreitet ist, sind in Phoenix in den USA durch die Alcor-Stiftung bereits über 160 Personen kryogenisiert worden. Die Kosten für diesen Vorgang belaufen sich auf etwa 200'000 Dollar. Getragen von einem unerschütterlichen Glauben an die Wissenschaft, hegen die Beteiligten die Hoffnung auf eine Wiederauferstehung. 

Bestattungsrituale

Seit Jahrtausenden, lange bevor es moderne Bestattungsunternehmen gab, begleiten Rituale den Tod eines Angehörigen. Diese Bräuche spiegeln Werte, Traditionen und Überzeugungen der Familie wider. Konkret dienen Bestattungsrituale dazu:

 

  • Die Erinnerung an den Verstorbenen zu ehren, indem man sich an schöne Zeiten erinnert
  • Das Umfeld und alte Freunde zu versammeln
  • Durch die Konfrontation mit der Trauer den Schmerz zu mildern und den Verlust gelassener zu verarbeiten

 

Bestattungsrituale sind nicht starr; sie entwickeln sich mit der Zeit weiter. Daher passen sich Bestattungsunternehmen ständig aktuellen Wünschen an. Mit dem schwindenden Einfluss der Religion weichen religiöse Bestattungsritualen weltlichen Zeremonien. Gleichzeitig bringen Bevölkerungsbewegungen neue Rituale mit sich. So erfinden sich Bestattungsunternehmen täglich neu, um die letzten Wünsche der Verstorbenen würdevoll zu erfüllen. 

Ein neuer Umgang mit dem Tod

Bestattungsrituale spielen sowohl für den Verstorbenen als auch für die Angehörigen eine wichtige Rolle. Früher ein Tabuthema wird der Tod heute eher als Lebensende gesehen. Viele Schweizer schliessen deshalb jedes Jahr eine Vorsorgeversicherung ab. Sie wollen so sicherstellen, dass ihre Wünsche erfüllt werden und die Familie nicht die finanzielle und moralische Last der Beerdigungs-Organisation tragen muss.

Während 1984 nur jeder zweite Schweizer die Einäscherung wählte, bevorzugen heute etwa 90 Prozent die Kremation gegenüber der Beerdigung. Die Gründe hierfür sind vielfältig:

 

  • Umweltfreundlichkeit
  • Geringere Kosten einer Kremation im Vergleich zur Beerdigung
  • Die tolerante schweizerische Gesetzgebung bezüglich der Ascheverstreuung
  • Moralische und praktische Aspekte: Wenn die Asche verstreut wird, entfällt der Besuch am Friedhof und die Grabpflege. 

 

In Lausanne erreichen die Kremationen 95 %, in Neuenburg sogar 97 %. Die Einäscherung ist beliebt, unabhängig vom Kanton und dessen Konfession. Dies führt nicht nur zu wirtschaftlichen Veränderungen im Bestattungsunternehmen, wie dem Anstieg von Urnengräbern, sondern auch zu einer Revolution in den Bestattungsunternehmen.

Katholische Bestattungsriten 

Da die Einäscherung jahrhundertelang verboten war, entschieden sich die Katholiken systematisch für die Erdbestattung nach dem Vorbild Christi, der nach seinem Tod in die Erde gelegt wurde. Mit dem Wandel der Sitten sind die katholischen Bestattungsriten jedoch nicht mehr immer so, wie man sie sich vorstellt. Seit dem 8. Mai 1963 verbietet die katholische Kirche die Einäscherung nicht mehr, auch wenn sie dazu auffordert, die Asche auf einem Friedhof aufzubewahren. Die Einäscherung verhindert also weder den ordnungsgemäßen Ablauf der Bestattungsriten, noch die Abhaltung einer religiösen Zeremonie in einer Kirche. Dabei kann ein Priester oder Pfarrer anwesend sein, Gebete sprechen und den Verstorbenen segnen. 

Protestantische Bestattungsriten

Im Gegensatz zu den Katholiken richten sich die protestantischen Riten an den Lebenden und nicht an den Verstorbenen. So kann die religiöse Zeremonie, die von einem Pfarrer abgehalten wird, nach der Beerdigung oder Einäscherung stattfinden. Sie kann im Haus des Verstorbenen, an einer religiösen Stätte oder im Bestattungsinstitut vorgenommen werden. Die Beerdigung ist in der Regel schlicht, ebenso wie der Sarg, der jedoch mit einem Kreuz geschmückt werden kann. Eine weitere Besonderheit der protestantischen Bestattungsriten ist, dass der Leichnam nicht gesegnet wird und die Gebetszeit der trauernden Familie gewidmet ist. 

Muslimische Bestattungsriten

Im muslimischen Bestattungsritual gilt der Tod als Übergang. Die Einäscherung ist daher gemäss dem Koran nicht erlaubt. Der Verstorbene soll normalerweise innerhalb von 24 Stunden nach dem Tod begraben werden. Doch in der Schweiz, wie in vielen europäischen Ländern, erschweren die bürokratischen Hürden dies oft. Während bei katholischen und vielen anderen Bestattungsarten keine rituelle Waschung üblich ist, ist sie im Islam unerlässlich und genau vorgeschrieben. Der Leichnam wird mit Blickrichtung nach Mekka gewaschen und anschliessend in ein Leichentuch gehüllt. Danach bringt man den Verstorbenen zur Grabstätte. Dort spricht der Imam das Totengebet. Es ist üblich, den Verstorbenen in einem muslimischen Gräberfeld zu beerdigen, wo die Gräber traditionsgemäss in Richtung Mekka ausgerichtet sind. 

Säkulare Bestattungsriten

Im Gegensatz zu den religiösen Bestattungsritualen ist das Vorgehen bei säkularen Bestattungszeremonien nicht vorgeschrieben. Abgesehen von den obligatorischen Bestattungsformalitäten und der Tradition, sich nach der Zeremonie mit den Gästen in guter Erinnerung an den Verstorbenen zu treffen, liegt der Rest im freien Ermessen der Familie. Im Jahr 2014 wurde Jack Robinson, ein vierjähriger britischer Junge, der frühzeitig an einem Tumor starb, mit grossem Pomp beigesetzt. Da er als grosser Fan bekannt war, organisierten seine Eltern für ihn einen Trauerzug mit Star-Wars-Thematik und der Leichenzug wurde von einer Horde Stormtroopers verfolgt. Auch wenn es überraschend klingen mag, kommen diese etwas ungewöhnlichen, säkularen Trauerfeiern gar nicht so selten vor. Im Jahr 2018 wählte Veronica Leaning, die eine Leidenschaft für Harry-Potter hatte, für ihre Beerdigung einen Sarg mit den vier Hogwarts-Häusern.

Es gibt viele weitere Beispiele für säkulare Bestattungen. Für manche sind sie Science-Fiction, für andere Avantgarde. Viele werden in den nächsten Jahrzehnten vermutlich jedoch immer populärer werden:

 

  • Kryonik: Der Körper wird bei sehr niedrigen Temperaturen (-196 Grad Celsius) aufbewahrt. So soll eine Wiederbelebung in ferner Zukunft möglich werden, wenn medizinische und technologische Fortschritte erzielt wurden. 
  • Bestattungs-Aquamation: Die sterblichen Überreste werden 5 bis 10 Stunden lang in 300 Liter Wasser mit einer Temperatur von 90 Grad Celsius getaucht. Anschliessend werden sie in eine Urne gelegt. 
  • Promession: Der Verstorbene wird eingefroren und dann in flüssigen Stickstoff getaucht. Der brüchig gewordene Körper wird auf einen vibrierenden Tisch gelegt und zerfällt zu einem biologisch abbaubaren Pulver.

Was passiert mit Verstorbenen, die keiner Konfession angehören?

Auch konfessionslose Personen können auf einem Friedhof beerdigt oder in einem Krematorium eingeäschert werden. Sie werden dabei vom gewählten Bestattungsunternehmen unterstützt. 

Es kann allerdings zu Mehrkosten kommen, wenn der Verstorbene Dienstleistungen der Kirche in Anspruch genommen hat. 

Das liegt daran, dass er keine Kirchensteuern gezahlt hat. In jedem Fall ist ein Antrag zu stellen, den die Kirche genehmigen muss. Sie wird nach den Gründen für den Austritt fragen.

Es ist auch möglich, die Asche nach der Einäscherung in der Natur zu verstreuen, sofern dies den örtlichen Gesundheits- und Wasserschutzvorschriften entspricht. Nach einer Einäscherung können die Aschenreste in der gewählten Urne aufbewahrt oder in einem Kolumbarium beigesetzt werden.

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Geschrieben von Rédaction Everlife,

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